Johann Caspar Lavater

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Johann Caspar Lavater (1741 -1801) wird bis heute meist in Verbindung mit seiner «Physiognomik» wahrgenommen. Das ist einseitig und führt an dem vorbei, was ihn bewegt hat und was er auch in seinen zahlreichen Büchern und Briefen vertreten hat.

Von den unzähligen Schriften, die Lavater verfasst hat, ist das «Geheime Tagebuch» am interessantesten. Es öffnete dem Leser den Zugang zu seinem Wesen und zur aktuellen Frage, wie wir am besten mit uns selber umgehen.

Der Anfang

Das Tagebuch beginnt so: „Namen des allwissenden und allgegenwärtigen Gottes will ich mit diesem Jahre 1769 ein Tagebuch anfangen. [...] Du aber, mein Herz, sei redlich! Verbirg deine Tiefen nicht vor mir! Ich will Freundschaft mit dir machen, und einen Bund mit dir aufrichten. Wisse, mein Herz, daß unter allen Freundschaften auf Erden keine weiser und segenreicher ist, als die Freundschaft und Vertraulichkeit eines menschlichen Herzens mit sich selber! (Lavater, Geheimes Tagebuch, 77 und 79)

Die Freundschaft

Freundschaft mit sich selber. Wie wichtig wurde dies bei der Entwicklung der modernen Subjektivität. Freundschaft mit sich selber. Wie wichtig ist dies auch heute noch für die Identitätsfindung. Mit dieser und mit ähnlichen Vorstellungen formte Lavater die christliche Tradition so um, dass sie für die Menschen seiner Zeit seelische, gedankliche und moralische Nahrung wurde. 

Der Grabstein von Johann Caspar Lavater

Die Besonderheit

Diese Vorgehensweise ist das eigentlich Besondere an Lavater! Sie ist das, was von Lavater über die Zeiten bleibt. Sie öffnet einen neuen Zugang zu einer Religiosität, welche christlichen Glauben mit der Seele des Menschen verbindet. Auch zu einer Religiosität für das 21. Jahrhundert?

Lavaters Religiosität

Natürlich leben wir in einer anderen Zeit als Lavater. Wir sind viel weltlicher, viel mehr absorbiert von innerweltlichen Erwartungen und Ansprüchen – und wir sind überschwemmt von einer immensen Informationsflut. Aber - erfüllen uns all die News aus naher und ferner Welt mit Freude und Dankbarkeit, mit der Kraft der Freundschaft mit sich selber?
Lässt uns das tägliche Flimmern aus dem Bildschirm nachts noch ruhig schlafen?
Täte uns nicht eine Prise von Lavaters Religiosität gut?

Freundschaft mit sich selbst

Es ist eine Religiosität, die von der Einkehr bei sich selber ausgeht, die bei der Freundschaft mit sich selber beginnt, die den christlichen Glauben mit der Aufrichtigkeit sich selber gegenüber verbindet, die Selbstwahrnehmung mit der Nächstenliebe und der Gottesliebe verbindet. 

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