Gedanken von Pfarrer
Ueli Greminger

Vom Zauberwort an der Ostwand der Kirche über Ernst Jandl bis zum Obenherab der Menschenverachtung und Untendurch der Selbstverachtung.
Vorne oben an der Ostwand der Kirche steht das „Wort“. Im Alltag ist es von zentraler Bedeutung. Jeder Mensch trägt dieses Wort in sich und will es sein. Es ist das höchste Gut, das wir im Leben haben. Gleichzeitig sagt der Allerhöchste von sich, dass er es sei. Das Wort, das ich meine, kommt im Leben eines jeden Menschen vor. Es ist der alttestamentliche Gottesname, der nicht ausgesprochen wird. Diese 4 hebräischen Buchstaben bedeuten in unsere Sprache übersetzt: „Ich bin, der ich bin“.
Das Wort
Dies ist das Wort. Dieses „Ich bin, der ich bin“ ist es, das die Seele öffnet, das uns unser eigenes Lied anstimmen lässt. Ob religiös oder weltlich, ob schön oder laut und ein wenig falsch, ob Loblied oder Klagelied, ob klassisch oder rührig sentimental.
Das Gedicht von Ernst Jandl
Das einfachste und schönste Lied, das zum Gottesnamen passt ist ein Gedicht von Ernst Jandl. Es ist eher ein Klangbild, das aus Wörtern besteht. Vielleicht spiegelt sich in diesen Worten das Lebensgefühl des modernen Menschen. Vielleicht ist es der einfache Wunsch, nahe bei sich selber zu sein. Die Überschrift lautet: „My own song“ - mein eigenes Lied - und es geht etwa so:
„Ich will nicht sein so wie ihr mich wollt,
ich will nicht ‚IHR' sein,ich will nicht sein wie ihr.
Nicht wie ihr mich wollt wie ich bin will ich sein.
Wie ICH bin will ich sein, wie ich BIN will ich sein.
Ein Zauberwort
Es ist ein Gleichnis. Wenn Gott von sich sagt „Ich bin, der ich bin“, dann dürfen wir Menschen als seine Ebenbilder dies auch von uns sagen. Dann sind wir erlöst aus dem ewigen Vergleichen, frei vom Obenherab der Menschenverachtung, frei vom Untendurch der schrecklichen Selbstverachtung. „Ich bin der ich bin“. Dies ist das Zauberwort, das es zu treffen gilt. Es meint den Allerhöchsten, es ist in jedem von uns: als Wunsch, als Sehnsucht, als Wirklichkeit dann, wenn wir es uns sagen, wenn wir es singen, wenn wir es sind.
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